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Abientlassung 2014

AbImmanuel - Wer's kann, der Kants!?

Auszug der Rede an die Abiturientinnen und Abituriententen von Frau Voll-Veth (StD´), Koordinatorin der Jahrgangsstufe 12

[…] Die in unserem Schulleitbild geforderte Entwicklung von Teamfähigkeit im Sinne von demokratischem, tolerantem und rücksichtsvollem Handeln haben Sie dann – für mich sehr eindrucksvoll - bei Ihrem monatelangen Ringen um ein geeignetes Jahrgangsmotto, mit dem sich alle, oder wenigstens die Mehrheit, identifizieren konnten, demonstriert. Das war schon wichtig, ging es doch um Ihren „Leitspruch oder auch Wahlspruch“. Ich war sehr gespannt auf das Resultat und möchte es heute hier präsentieren und darüber sinnieren. Es lautet: „AbImmanuel – Wer´s kann, der Kants!“. Fragende  Blicke, gerunzelte Stirnen.

[…] Ich sehe leichte Irritation hier unter den Anwesenden, insbesondere bei Ihren Eltern.

„AbI – Wer´s kann, der Kants!“ Wie …jetzt?! Für diese wahrlich „bahnbrechende“ Erkenntnis haben wir die Tochter/den Sohn 8 Jahre die gymnasiale Schulbank drücken und damit die höchste schulische Bildung angedeihen lassen? Dafür haben wir mit ihr/ihm gebangt, sie/ihn je nach Anlass gelobt oder getröstet, immer wieder ermuntert, Vokabeln und Formeln abgefragt, jeden Morgen aus dem Bett gezerrt, Schulbrote geschmiert und dafür gesorgt, dass sie/er nur ja pünktlich die heiligen Gemäuer betritt, um auch nicht eine Minute des begabenden Unterrichts zu versäumen?

Auch einige Lehrkräfte, die sich vorab schon mal nach Ihrem Jahrgangsmotto erkundigt hatten, waren verwirrt bis erstaunt über die Früchte ihrer pädagogischen Bemühungen.

[…] Wir sehen fünf Wörter nach dem Gedankenstrich, die – auf den ersten flüchtigen Blick - ein Haupt-/Nebensatzgefüge zu bilden scheinen. Der Nebensatz wird korrekt mit relativischem Anschluss eingeleitet, aber leider entbehrt er des (konjugierten) Verbs und ist damit gar kein grammatisch korrekter Satz mehr, dafür besitzt er aber ein Ausrufezeichen!! Ich sehe einige der Deutschlehrkräfte, die Sie – liebe Abiturientinnen und Abiturienten – in der Oberstufe unterrichtet haben, immerhin drei davon als Deutsch-Eliteförderer auf EAN-Niveau, in dezente Schnappatmung übergehen ob dieser Rechtschreib-Leistung.

Oder wollten Sie  - liebe Abiturientinnen und Abiturienten – vielleicht auf selbstironische Art und Weise – sozusagen „provoKant“ -  in dieser Form Ihr Statement zur Effizienz des derzeitigen deutschen gymnasialen Bildungssystems zum Ausdruck bringen  - Nachvollziehen könnte ich dies - glaube jedoch, hier bin ich gedanklich auf dem Holzweg.

[…] Es gilt also weiter nach der tieferen Bedeutung dieses Mottos zu suchen!

Wenn es aber nicht  um einen bewussten, sinntragenden grammatischen Fauxpas geht, dann bleiben nur noch Immanuel Kant und das Ausrufezeichen.

[…] So betrachtet ergibt sich dann eine tiefgründigere Deutung Ihres Leitspruchs „AbImmanuel - Wer´s kann, der Kants!“. Es geht um das Vermögen, das Reifezeugnis unter den Prämissen des berühmten Universalgelehrten und Philosophen der Aufklärung - Immanuel Kant - erworben zu haben, also als  - Kantianer.

Was zeichnet nun Kantianer aus?

Kantianer orientieren sich an der Maxime: „Handle grundsätzlich so, dass dein Handeln zu einem Gesetz werden könnte, das für alle gilt!“ – also an Kants kategorischem Imperativ.

Und sie haben sich auch seinen anderen – für die Ausbildung junger Menschen relevanten - Imperativ zu Eigen gemacht: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“.

Sie - liebe Abiturientinnen und Abiturienten – haben hier am Immanuel-Kant-Gymnasium also das Rüstzeug erhalten und sich selbst mit dem Reifezeugnis die Eintrittskarte erworben, um Schaltstellen in unserer Gesellschaft zu besetzen, von denen aus Sie Ihre Visionen eines gelingenden Lebens umsetzen können. Eine Vision fragt immer danach: „Wozu gibt es mich eigentlich, wer will ich sein und an welcher Zukunft will ich mitarbeiten?“

Ich hoffe, dass dies – im Kant‘schen Sinne - eine biophile Zukunft sein wird und dass Sie Ihre Entscheidungen und Handlungen immer an den ihr entsprechenden drei Grundsätzen ausrichten: „Ist das, was ich tue, humanverträglich, ist es sozialverträglich und ist es naturverträglich?“

[...]- ich wünsche Ihnen, dass Sie mit Ihren Begabungen, Ihren erworbenen Fähigkeiten und Kenntnissen verantwortlich umgehen, zu Ihrem eigenen und zum Nutzen der Gemeinschaft.

-   und ich wünsche jedem Einzelnen von Ihnen für seinen persönlichen Lebensweg alles, alles erdenklich Gute.